Zu den malerischsten und völlig verlassenen Orten in der nächsten Umgebung des Cerchov gehört der Talkessel von Bystrice, dessen Raum durch die steilen Wände des Cerchov-Massis und des Grenzgebirgskamms mit dem Berg Tri Znaky (Drei Wappen) abgegrenzt wird, wo die historischen Grenzen von Böhmen, Bayern und der Oberpfalz zusammenlaufen.
Das naturbelassene und noch im 17. Jahrhundert vollkommen öde Tal des Flusses Chladna Bystrice (Kalte Pastritz) gehörte ursprünglich zu Bayern, von wo auch der bequemste Zugang (über Voithenberghütte) herführt. Erst auf Grund des Grenzvertrages von 1707 fiel dieser Abschnitt des Grenzwaldes an das Königreich Böhmen unter die Verwaltung der königlichen Stadt Domazlice. Der Grenzvertrag wurde jedoch erst 1764 endgültig bestätigt.
Die ersten Erwähnungen der Ortschaft, ursprünglich Fichtenbach oder Fichtenbacher Hütte beziehungsweise Fuchshütte genannt, beziehen sich auf das Jahr 1710. Damals hatte hier der Glasmeister Johann Georg Schmaus eine neue Glashütte gegründet, die eine schnelle Entwicklung dieses Handwerks im Grenzwaldgebiet anbahnte. Nach Schmaus kam die Glasmacherfamilie Fuchs, von der die Glashütte 1823 der Glasmagnat Fürst Filip Kinsky gekauft hat. Zu dieser Zeit arbeiteten im Tal schon mindestens zwei Glashütten, die sich auf die Tafelglasproduktion spezialisierten. Weiter wurden diese Glastafeln noch in Schleif- und Polierwerken bearbeitet, deren Einrichtung vom Wasser des Flusses Chladna Bystrice über Wasserräder betrieben wurde. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts, als die Glasindustrie im Fichtenbacher Tal ihre höchste Blüte hatte, arbeiteten dort circa 20 selbstständige Betriebe.
Zum Niedergang der Glasproduktion, der schließlich bis zur Auflösung der Glashütten führte, kam es um das Jahr 1920. In der Zeit der sozialistischen Tschechoslowakei waren das Tal sowie die Ortschaft mit dem neuen Namen Bystrice gesperrt. Das Schlösschen der Grafen Kinsky besetzte die Grenzwache, und aus dem ehemaligen Dorf samt teilweise erhaltenen Schleif- und Polierwerken wurde ein Haufen Bauschutt. In dem Gelände des Fichtenbacher Tals entdeckt der Wanderer heute noch einige Ruinen von diesen Gebäuden.
Nach 1990 bekam die Stadt Domazlice das Tal von Bystrice als ihr historisches Eigentum wieder zurück. Heute ist das autofreie Tal ein stiller Ort, durch den nur die touristische Wandermarkierung zum Tri Znaky (Drei Wappen) führt.
Heute nützen Wanderer und Mountainbiker Fichtenbach auch zu einer Tour zum Cerchov.
In Ober-Fichtenbach finden wir noch ein Gebiet, das Amerika heißt. Dort stand eine Villa, die "Schlösschen" genannt wurde. Es ist auch als Wächtler-Haus (benannt nach dem Gauleiter Wächtler) bekannt. Dieses wurde erst in den 1960-er Jahren abgerissen. Reste des Mauerwerks sind bis heute erhalten.
In der Nähe des "Schlösschens" finden wir ein Naturdenkmal. Es handelt sich dabei um die drittgrößte Fichte in Tschechien. Sie hat einen Umfang von vier Metern und ist über 200 Jahre alt.
Quelle: "Der Cerchov und seine Umgebung beiderseits der Grenze", herausgegeben vom Verlag Nakladatelstvi Ceskeho lesa im Jahr 2000.
Sehr interessante Informationen und alte Bilder über Bystrice enthält das zweisprachige Buch "Wanderungen durch die verschwundenen Ortschaften des Böhmisches Walds - I. Kreis Taus" von Zdenek Prochazka, das im Buchhandel erhältlich ist.
November 2013
Er war 1945 gerade mal sieben Jahre alt und stand damals Todesängste in Fichtenbach, dem heutigen Bystrice aus. Nach sage und schreibe 68 Jahren kehrte Friedrich Ditmar mit seiner Frau Elisabeth aus Altheim bei Dietersheim (Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Winsheim) nun wieder an den Ort seiner schlimmsten Kindheitserinnerung zurück. Obwohl in dem vergessenen Tal, wie es der chodische Schriftsteller Jan Vrba einmal treffend beschrieben hat, von dem einst blühenden Glasmacherdorf nur noch einige wenige Gebäude und Mauerreste zeugen, erkannte Ditmar sofort wieder das Haus, in dem sich innerhalb weniger Sekunden alles über Leben und Tod abspielte. Es war das Schlösschen der Grafen Kinsky, das nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Anbau versehen wurde und dann der tschechoslowakischen Grenzwache als Unterkunft gedient hatte. Erinnern konnte sich Ditmar auch noch gut an die Kapelle und einige weitere Gebäude, die alle dem Erdboden gleich gemacht wurden. Mit großen Augen bestaunte er die Alleen, die zwischenzeitlich wesentlich stattlicher geworden sind. Alles hielt Ditmar nun natürlich mit seiner Kamera fest.
Friedrich Ditmar hatte im Internet nach Fichtenbach gesucht und war dabei auf die Homepage von Karl Reitmeier unter www.karl-reitmeier.de aufmerksam geworden. Dort hatte er viele Bilder von Fichtenbach, dem heutigen Bystrice entdeckt. Er nahm Kontakt mit Karl Reitmeier auf, wobei er den Wunsch äußerte, noch einmal nach Fichtenbach zu kommen. Leider sei er jedoch inzwischen gehbehindert und sei auf einen Rollator angewiesen.
Reitmeier versprach ihm, sich beim Leiter der Städtischen Wälder Domazlice, Forstdirektor Jan Benda um eine Fahrtgenehmigung zu bemühen. Dieser kam der Bitte von Reitmeier nicht nur gerne nach, Jan Benda erklärte sich sogar auch noch bereit, den Gast persönlich zu begleiten. So wurde ein gemeinsamer Treffpunkt vereinbart, wobei Friedrich Ditmar mit seiner Gattin schon sehr früh die Reise nach Furth im Wald angetreten hatte, wo er sich mit Karl Reitmeier traf. Dann ging die Fahrt weiter nach Ceska Kubice, wo schon Jan Benda wartete. Danach wurde die Fahrt nach Bystrice angetreten und Friedrich Ditmar kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Seinen feuchten Augen war schnell zu entnehmen, dass man ihm einen großen Wunsch erfüllt hatte. Jedenfalls schrieb er noch am gleichen Tag, als er wieder nach Hause kam: „Der heutige Tag wird mir immer in Erinnerung bleiben. Nochmals vielen Dank für alles“.
Wie kommen nun diese Verbindung zu Fichtenbach und die schlimmen Erinnerungen an den Mai 1945? Der Vater von Friedrich Ditmar war in der Gauleitung Bayreuth beschäftigt. Nachdem Bayreuth von den Amerikanern angegriffen wurde, floh der Gauleiter Fritz Wächtler mit seinem Stab nach Herzogau in das dortige Grenzhotel. Ditmar bemerkt, dass dies dem „Führer“ (er meint damit Adolf Hitler) nicht gefallen habe und dieser habe wohl angeordnet, dass der Gauleiter erschossen wurde. Vermutlich ging dem Befehl zur Erschießung eine Intrige seines Stellvertreters Ludwig Ruckdeschel mit Martin Bormann voraus. Jedenfalls fuhren am Morgen des 19. April 1945 Ruckdeschel und eine Abteilung von 35 SS-Männern nach Herzogau, wo Wächtler abgeführt, an einen Baum gestellt und erschossen wurde. „Ich war zufälligerweise bei der Erschießung dabei“, erinnert sich Ditmar, der bis zu seiner Pensionierung eine Fahrschule im fränkischen Hersbruck hatte, dieses schreckliche Ereignis.
Ditmar erzählt, dass sein Vater danach die Idee hatte, nach Fichtenbach zu gehen. Er hatte angenommen, „dass wir da sicherer vor dem Krieg sind“. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellen sollte. Ditmar erinnert sich, dass dies in der Zeit zwischen dem 3. und 8. Mai 1945 gewesen sein muss. Er sei in Fichtenbach noch drei Tage zur Schule gegangen. Ab dem 4. Mai hätten sich eine SS-Einheit und amerikanische Soldaten in der kleinen Ortschaft tagelang bekämpft. „Mir ist es bis heute noch ein Rätsel warum“, sagt Ditmar traurig.
Und dann kommt das Ereignis, dass ihn sein ganzes Leben lang beschäftigt und das er auch nicht mehr vergessen wird. Zusammen mit seinen Eltern und seinen Geschwistern seien sie im Keller dieses Hauses gesessen und hätten eine furchtbare Angst gehabt. Es sei ein furchtbares Kampfgetöse zu hören gewesen, bei dem auch Panzer eingesetzt waren. Und plötzlich sei ein farbiger amerikanischer Soldat in das Gebäude gekommen, mit einer Handgranate in der Hand, die er in den Keller werfen wollte, wo sie alle saßen. Seine Mutter habe dies jedoch rechtzeitig erkannt, habe ihr weißes Kopftuch als Zeichen des Friedens in die Hände genommen und sei schnell nach oben gegangen. Der Soldat habe zum Glück das weiße Tuch gesehen und dieses im Sinne der Genfer Konvention anerkannt. Er habe schließlich die bereits entsicherte Handgranate durch die offene Haustür hinausgeworfen. „Wir würden alle nicht mehr leben, wenn die Handgranate in den Keller geflogen wäre“, ist sich Ditmar sicher. Zeuge ist Ditmar auch davon geworden, als sein Vater in den Kampfpausen die Toten begraben hat. „Einige hat er direkt hinter der Kapelle begraben“, erinnert er sich an die Ereignisse, die er niemals vergessen wird. Die Kapelle ist längst verschwunden. Die Kämpfe in Fichtenbach seien bis zum 7. Mai gegangen. „Dass wir alle gesund rausgekommen sind, ist ein Wunder“, sagt Ditmar heute. Vom 8. Mai an hätten sie danach rund sechs Wochen benötigt, um zu Fuß wieder nach Bayreuth zu kommen.
Ditmar berichtet, dass der Pächter der Güter von Fichtenbach damals Karl Reinhardt war, ein studierter Landwirt, Reichstagsabgeordneter, Landesbauernführer im Gau Bayerische Ostmark und SS-General. Nach der Annexion der Sudetengebiete im Jahr 1938 habe dieser für die Dauer von zwölf Jahren dieses Gebiet von der Stadt Domazlice gepachtet. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Reinhardt in alliierte Kriegsgefangenschaft geraten. In der Folgezeit wurde er im Rahmen der Nürnberger Prozesse als Zeuge vernommen und freigesprochen. Seine Pachtung in Fichtenbach fiel an die Tschechoslowakei zurück. Nach dem Krieg hatte sich Reinhardt als Hilfsarbeiter sein Geld verdient. Er und seine Frau sind 1968 in Bamberg gestorben.
Bei dem Besuch in Fichtenbach zeigte Jan Benda dem Gast auch das renovierte Kriegerdenkmal, von dem sich Ditmar sehr beeindruckt zeigte. Benda erklärte, dass man eigentlich die Bilder von den Verstorbenen erneuern wollte, doch leider habe man bis auf eine Ausnahme die Nachkommen nicht mehr ausfindig machen können. Benda führte durch den ehemaligen Ort und gab dem Gast noch viele interessante Informationen mit auf den Weg. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich eine Freundschaft entwickelt und als Jan Benda noch einige herumliegende Glassteine sammelte und sie Friedrich Ditmar und dessen Frau mit auf die Heimreise gab, war das Glück vollkommen. Der Forstdirektor überraschte Ditmar sogar noch mit einem Buch über Domazlice. Und Ditmars Gemahlin hatte für Jan Benda und Karl Reitmeier zum Dank etwas Hochprozentiges aus eigener Produktion mitgebracht.
Januar 2014
Fichtenbach war eine kleine Ortschaft, die es heute nicht mehr gibt. Sie lag in einem wunderschönen Tal im heutigen Tschechien im Böhmischen Wald. Die Reste der Ortschaft, die jetzt Bystrice heißt, liegen unmittelbar an der deutsch-tschechischen Grenze und vom Kriegsende bis in die neunziger Jahre lagen sie direkt am Eisernen Vorhang.
Wenn ich in den achtziger Jahren in die Nähe dieser Grenze gefahren bin, hatte ich immer ein sehr beklemmendes Gefühl. Kilometer vorher waren schon Hinweiszeichen, die vor der Grenze warnten. Einmal habe ich mich mit Zollbeamten unterhalten und die haben mir erzählt, dass die Tschechen am Tag zuvor wieder geschossen hätten. Warum habe ich mich eigentlich immer wieder mal dorthin begeben und zwar von Ludwigstal nach Herzogau, um irgendwie etwas über die Ortschaft Fichtenbach zu erfahren? Ich habe mir vorgestellt, wenn man auf einen Berg hoch steigt, dass man von dort ins Tal nach Fichtenbach schauen könnte. Aber leider ist mir das nie geglückt.
Ein Verwandter unserer Familie hatte dort, bis zum Kriegsende einen größeren Bauernhof, wir nannten es Gut, gepachtet. Der Pächter Karl Reinhardt war der Landesbauernführer und ein bekannter Mann. In den vierziger Jahren war ich oft mit meinen Eltern und Geschwistern zur Sommerfrische da, was uns sehr viel Freude bereitete. Es ging auf dem Gut immer recht vornehm zu, es waren Dienstmädchen, Gärtner, Chauffeur, Kutscher und ein Förster angestellt. Außerdem waren französische Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz eingeteilt. Ich kann mich erinnern, dass sehr viele Tiere auf dem Hof waren, Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen, Gänse, Enten und Hühner.
Im April 1945 waren die schweren Bombenangriffe auf Bayreuth. Mein Vater war in der Gauleitung Bayreuth beschäftigt. Der damalige Gauleiter Wächtler hatte seinen Stab nach Herzogau verlegt und mein Vater musste mit. Deshalb nahm er gleich seine ganze Familie, seine Frau und uns 4 Kinder mit. Dem ehemaligen Gauleiter Wächtler hat man Fahnenflucht vorgeworfen und auf Befehl von Hitler erschossen. Da es in Herzogau wahrscheinlich nichts mehr zu tun gab, entschloss sich mein Vater ins nahegelegene Fichtenbach zu gehen. Zur damaligen Zeit war dieses Gebiet noch deutsch. Ich kann mich mit meinen 75 Jahren noch sehr gut daran erinnern, auch weil in meiner Familie öfters darüber gesprochen wurde.
Wir fuhren mit einem PKW nach Fichtenbach, auch an die Fahrt kann ich mich noch gut erinnern. Die Tage waren wunderschön, der April 1945 ist für seinen Sonnenschein bekannt. Es haben überall die Bäume und die Blumen auf den Wiesen geblüht. Hier war eine friedliche Stimmung und von Kriegswirren keine Spur. Ich ging dort noch 3 Tage in die Schule, von der 1. bis zur 8. Klasse saßen alle Schüler in einem Raum. Wir Kinder haben meist neben dem Hauptgebäude auf einer Wiese gespielt. In der Nähe war auch eine kleine Kapelle. An einem sonnigen Nachmittag lag meine Mutter im Liegestuhl, als wir plötzlich Kanonendonner hörten, der immer näher kam. Wir haben alle wieder schreckliche Angst bekommen. Eine amerikanische Division war von Südbayern durch den Böhmerwald auf dem Weg nach Prag. Da müssen Soldaten irgendeiner versprengten SS-Einheit versucht haben, die Amerikaner aufzuhalten und haben sich im Gebiet um Fichtenbach mit den amerikanischen Soldaten fürchterlich bekämpft - und wir waren mitten drin. Es war schrecklich. Meine Familie und andere Leute, die zu der Zeit auf dem Gut lebten, verkrochen sich in dem angrenzenden Felsenkeller. Die Erwachsenen haben überlegt, ob sie weiße Fahnen aus den Fenstern hängen sollten. Das aber war eine sehr gefährliche Sache, denn der SS-Himmler hatte ein paar Tage vorher bekannt gegeben, dass die Männer, die so etwas tun, sofort erschossen werden müssten. Also ging nach folgender Begebenheit meine Mutter nach oben und hängte weiße Betttücher aus den Fenstern und hat uns so vor dem Schlimmsten bewahrt.
Was ich in meinem Leben nie vergessen werde ist, wie ein farbiger, amerikanischer Soldat eine Handgranate in den Keller werfen wollte. Meine Mutter nahm schnell ihr weißes Kopftuch in die Hände und ging die Treppe nach oben. Der Soldat warf dann die bereits entsicherte Handgranate durch die Haustür zurück in den Garten. Das weiße Tuch wird laut Genfer Konvention als Friedenszeichen anerkannt. Was war doch meine Mutter für eine tapfere Frau! In dem Gutshaus wechselten sich mehrmals deutsche Soldaten mit amerikanischen Soldaten ab. Sie haben sich wahrscheinlich zeitweise immer wieder gegenseitig aus dem Haus geworfen, dementsprechend war auch das Kampfgetöse. Als einmal für einige Stunden Ruhe war, stiegen wir aus dem Keller und sahen das Unheil. Man konnte von der Haustür aus auf die gesamte Ortschaft schauen, viele Häuser brannten. Um das Gutshaus lagen die Toten, teilweise auch sehr junge, von der zuletzt noch eingezogenen Hitlerjugend. Meine Schwester grüßte den ersten amerikanischen Soldaten, den sie sah, laut und deutlich mit der rechten erhobenen Hand mit „Heil Hitler“. Gott sei Dank haben die Amerikaner das nicht ernst genommen. Für uns Kinder war alles eine große Umstellung, denn wir kannten nur diesen einen Gruß und haben uns dabei gar nichts gedacht. „Grüß Gott“ als Gruß war uns eher nicht bekannt. In einer Kampfpause hat mein Vater mit anderen Leuten die Toten begraben und zwar auf der Wiese neben der kleinen Kapelle. Vielleicht liegen sie heute noch dort. Einmal stand ein SS-Offizier mit gezogener Pistole vor meinem Vater. Er schrie ihn an: „Du fahnenflüchtiges Verräterschwein gehörst jetzt erschossen“ und das alles in Anwesenheit von uns Kindern! Mein Vater war sehr schwer kriegsbeschädigt und aus dem Kriegsdienst entlassen. Er konnte sich ausweisen und wurde nicht erschossen.
Irgendwann haben dann diese Kampfhandlungen nachgelassen und es kam der 8. Mai. Mit der Zeit hatte sich herumgesprochen dass der Krieg zu Ende war. Meine Eltern und wir vier Kinder machten uns auf den Weg nach Bayreuth. Wir waren zu Fuß wochenlang unterwegs und froh, dass wir doch einigermaßen gesund wieder nach Hause gekommen waren. Als Kind hat man alles nicht so ernst genommen wie heute, aber manchmal noch hatte ich das Gefühl, die toten Soldaten würden mich anschauen. Nun vergingen ca. 68 Jahre und ich denke wieder an das Erlebte, denn ich arbeite zur Zeit an meiner Biografie und dadurch kam auch wieder die Erinnerung an all das Erlebte.
Im Internet habe ich letztes Jahr die Adresse von Herrn Karl Reitmeier gefunden und war überrascht, dass er Fichtenbach im Internet beschrieb. All die alten Bilder kamen mir bekannt vor, ich erkannte sofort das Gutshaus, das Schulhaus, den Dorfweiher und das Kriegerdenkmal. In diesem Denkmal sind Fotos der gefallenen Soldaten des 1. Weltkriegs eingearbeitet, die ich mit meiner Schwester schon vor 68 Jahren angeschaut habe. Was für eine Überraschung! Ich nahm mit Karl Reitmeier Verbindung auf und er hat mich eingeladen. Der dortige Förster, Herr Benda hat mir eine Genehmigung erteilt, damit ich mit dem Auto direkt hinfahren kann, denn ich bin schlecht zu Fuß. Wir machten einen Termin aus und endlich fuhr ich mit meiner Ehefrau nach Fichtenbach. Kurz vor Fichtenbach kam Forstdirektor Benda dazu, er begrüßte uns freundlichst. Kurz darauf standen wir dann da, wo ich als Kind so Schreckliches erlebt hatte. Ich war irgendwie sehr ergriffen. Nach und nach hab ich auch viel wieder erkannt, obwohl die Ortschaft dem Erdboden gleich gemacht worden war. Nachdem wir das Kriegerdenkmal und die renovierte Allee angeschaut hatten, ging es dann zum Gutshaus, das Gebäude wurde nicht abgerissen, es diente im kalten Krieg als Unterkunft für die Grenztruppen. Nun in fast 70 Jahren hat sich viel verändert, wo früher die Ortschaft war, ist heute nur Wald und Buschwerk und vor dem ehemaligen Gutshaus stehen 3 mächtige Fichten. Ich habe einiges fotografiert und auch gefilmt. Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf, ich konnte es teilweise gar ich so schnell verarbeiten und habe zu Hause noch lange darüber nachgedacht.
„Das Wunder und der Papst Christbaum“, so stand es in der Zeitung und so habe ich das aus dem Internet erfahren. Ich war begeistert und konnte es fast nicht glauben, denn vor ein paar Wochen habe ich mit meiner Frau unmittelbar vor diesem Baum gestanden. Und nun schließt sich der Kreis meiner Geschichte auf den paar Quadratmetern Erde vor dem Gutshaus. Da waren früher ein Ziergarten und ein kleiner Goldfischweiher. Diese 3 Fichten müssen später gepflanzt worden sein, auf einem Boden, auf dem zu Kriegsende mehrere Menschen erschossen worden sind, sind später diese Bäume gewachsen. Einer davon stand Weihnachten 2013 dann in Rom auf dem Petersplatz, als Friedenszeichen für die ganze Welt. Was für ein Wunder!
Ich war Fahrlehrer von Beruf, habe viel mit jungen Menschen zu tun gehabt und ich habe immer betont, dass wir froh sein müssen, dass wir schon so lange in Frieden und Freiheit leben dürfen. Was für eine Zeitreise von einer der ehemals gefährlichsten Grenzen bis zum Petersplatz in Rom. Wollen wir doch alle dafür sorgen, dass es bei uns immer so friedlich bleibt. Hiermit bedanke ich mich nochmals herzlich bei Herrn Karl Reitmaier und Herrn Forstdirektor Jan Benda.
Friedrich Ditmar, Altheim
Das Fichtenbacher Tal, das von den Furthern seit der Grenzöffnung gerne als Naherholungsgebiet benutzt wird, wird auch oft als"vergessenes Tal" bezeichnet. Früher gab es dort eine blühende Glasindustrie, davon geblieben sind nur noch Reste von Ruinen und die Gebäude (darunter auch das ehemalige Schlösschen der Grafen Kinsky), in denen die ehemalige tschechische Grenzwacht untergebracht war.
In das "vergessene Tal" kamen aber am Samstag, 26. September 2009, rund 300 Besucher, darunter auch viele Gäste aus Furth im Wald, sogar Nachkommen ehemaliger Fichtenbacher, oder die dort sogar noch geboren wurden. Sie wurden Zeuge, wie die Eichenallee, die früher nach Fichtenbach (heute Bystrice) führte, zum Naturdenkmal erhoben wurde. Weil in diesem Jahr auch der 120. Geburtstag des chodischen Heimatschriftstellers Jan Vrba gefeiert werden kann, der dieses Tal in seinen Werken beschrieben hat, erhielt diese Allee den Namen "JanVrba-Allee".
Veranstaltet wurde die Feier von den Städtischen Wäldern Domazlice und diese war bestens organisiert. Es waren Tische und Bänke aufgestellt und das Hotel Bohmann in Babylon war mit einem Imbisswagen gekommen, so dass auch für die Verpflegung der Besucher bestens gesorgt war. Besonders interessant war eine Fotoausstellung mit alten Bildern aus Fichtenbach.
Zunächst sorgte die Kapelle Chodovanka in bewährter Manier für eine musikalische Unterhaltung. Jagdhornbläser stimmten danach mit lieblichen Klängen auf den Festakt ein, zu dem der Leiter der Städtischen Wälder Domazlice, Forstdirektor Jan Benda eine Reihe von Ehrengästen begrüßen konnte, unter ihnen die Abgeordnete Jirina Rippelova (sie unterstützt nach den Worten von Jan Benda die Förster großartig beim Kampf gegen den Borkenkäfer), Senator Petr Smutny, Bürgermeister Miroslav Mach aus Domazlice, Bürgermeister Karel Smutny aus Klenci, den Leiter des Landschaftsschutzgebietes Cesky Les, Jindrich Horacek, Professor Ph.Dr. Viktor Viktoria von der Westböhmischen Universität in Pilsen von der Pädagogischen Fakultät, Lehrstuhl Tschechische Sprache und Literatur, Ing. Jiri Kadera (Förster des Landschaftsschutzgebietes Cesky Les), den Sekretär der Tschechischen Waldgesellschaft Ing. Pavel Kyzlik, Magister Eva Kubatova von der Tschechischen Waldgesellschaft und Vera Krbuskova als Vertreterin des Lehrstuhls für Deutsche Sprache und Literatur von der Westböhmischen Universität Pilsen. Auch den deutschen Gästen galt ein herzlicher Willkommensgruß von Jan Benda.
Benda ging nach der Begrüßung zunächst auf die interessante Geschichte von Fichtenbach ein und verwies darauf, dass dieses Gebiet reich an Wasser und Wald war. Deshalb habe sich hier auch Glasindustrie angesiedelt. 1922 sei Fichtenbach von dem Berliner Balke an die Stadt Taus verkauft worden. Nachdem dieses Tal beste klimatische Bedingungen biete, seien viele Erholungssuchende aus Prag angereist. 1950 sei der Besitz schließlich verstaatlicht worden. Erst 1992 ging das Gebiet in den Besitz der Städtischen Wälder Domazlice. Zwei Jahre später wurde Benda bereits Direktor der Städtischen Wälder.
Dankende Worte richtete Benda an die Bergwachtbereitschaft Furth im Wald, die einen mobilen Lautsprecher mitgebracht hatte, der bei der Eröffnungszeremonie wertvolle Dienste leistete.
Bürgermeister Miroslav Mach wusste mit entsprechenden Worten die Arbeit der
Förster zu schätzen und dankte insbesondere Jan Benda für dessen unermüdlichen Einsatz um die Städtischen Wälder Domazlice.
Professor Ph. Dr. Viktor Viktora von der Westböhmischen Universität Pilsen stellte danach den Schrifsteller Jan Vrba vor, ging ausführlich auf dessen Werke und deren Bedeutung ein. Er bezeichnete Vrba als den bedeutendsten Schriftsteller des Chodenlandes neben J.S. Baar. Faszinierend würden in den Werken von Vrba die Naturschönheiten in diesem Gebiet geschildert und auch auf die Tiere werde eingegangen.
Nach den Ansprachen marschierten die Gäste zur Allee, die dann in einer feierlichen Zeremonie durch Ing. Pavel Kyzlik und Bürgermeister Miroslav Mach offiziell freigegeben wurde.
Anschließend wurde durch die Allee zum Kriegerdenkmal in Fichtenbach (dem ehemaligen Dorfmittelpunkt) marschiert, das an die Toten des Ersten Weltkrieges erinnert. Eine nette Geste der Städtischen Wälder Domazlice war es zweifelsohne, dass am Kriegerdenkmal zwei Blumenschalen zum Gedenken an die Gefallenen aufgestellt waren.
Info: Die Eichen-Allee, die am vergangenen Samstag nach dem chodischen Schriftsteller Jan Vrba benannt wurde, ist rund 800 Meter lang. Sie zählt insgesamt 86 Eichen mit Höhen zwischen 24 und 26 Meter. Ihr Alter wird auf rund 150 Jahre geschätzt. Die größte Eiche in dieser Allee hat einem Umfang von vier Metern. Die gesamte Allee wurde aus einem Gewirr von Bäumen (darunter viele Ahornbäume) freigeschnitten. Fernern wurden die Kronen freigeschnitten. Von der Allee bietet sich ein herrlicher Blick zum Cerchov.
Der Leiter der Städtischen Wälder Domazlice, Forstdirektor Jan Benda, bittet die Besucher der Veranstaltung in Fichtenbach/Bystrice um Verständnis dafür, dass es keine Übersetzung der Ansprachen gab. Wäre nämlich ein Dolmetscher zum Einsatz gekommen, hätte sich die Veranstaltung zu sehr in die Länge gezogen.
Karl Reitmeier
Nachfolgend einige historische Fotos von Fichtenbach, die ich von Ing. Svatopluk Krejsa aus Domazlice bekommen habe. Ihn verbinden verwandtschaftliche Beziehungen zur Familie Macharowsky. Herzlichen Dank, Herr Krejsa.
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